Eingerührt: Süßwasserfisch #3: Stint

Stint
frischer Stint
Foto: Lars Wärn (Schweden)

Der 3. Süßwasserfisch des gleichnamigen Blogevents ist klein, flink und kommt aus Hamburg geschwommen.
Da die Saison für den aktuellen Süßwasserfisch, den Stint, mega-kurz und bald schon vorbei ist, gibt es dessen Fischportrait vorgezogenermaßen bereits heute.

Exklusiv für diesen Event verfasst hat es freundlicherweise Blogger, Autor, Kolumnist und Foodstylist Stevan Paul vom Blog NutriCulinary. Außerdem hat Stevan sich auf die Pirsch gemacht, Stint erbeutet und für uns in die Pfanne gehauen. Nahezu klassisch in Dinkel-Vollkornmehl gemäntelt… (Stevan’s Rezept für Stint mit Gurken-Kartoffelsalat)
Am 10. wird es wie gewohnt noch einen zusammenfassenden Steckbrief zum Süßwasserfisch #3 geben.

…………………… O-Ton Stevan ……………………………..

Seltenheitswert Stint

Wir leben in Zeiten einer ebenso allumfassenden wie permanenten Erhältlichkeit von kulinarischen Produkten – aus aller Welt und rund ums Jahr. Überwiegend sind es genormte Gemüse- und Obstsorten, die keine Jahreszeiten mehr zu kennen scheinen und keine Saison. Da werden Erdbeeren rund ums Jahr in die heimischen Supermärkte eingeflogen und irgendwo auf der Welt wächst auch im Winter blütenweißer Spargel. Ein trügerisches Schlaraffenland, in dem die Qualität allermeist zu kurz kommt.
Glücklicherweise verweigern sich einige Delikatessen dem traurigen Geschäft mit der Allzeit-Erhältlichkeit, beispielsweise verweigert sich der edle Steinpilz erfolgreich jeder Kultivierung und bleibt dementsprechend eine saisonale Erscheinung, auf die man sich noch freuen kann. In extrem vornehmer Zurückhaltung übt sich naturgemäß auch der Stint, der sich allerhöchstens vier Wochen im Jahr zeigt und das auch noch derartig regional beschränkt, dass er jenseits der Elbströmung völlig unbekannt sein dürfte.

Bereits im Spätherbst beginnt die Wanderung der Stinte von der Nordsee in die Elbe, der Meeresbewohner, der um zwei Ecken mit dem Lachs verwandt ist, wird zum Süßwasserfisch. Irgendwann zwischen Mitte Februar und Anfang März ziehen die großen Stint-Schwärme in die wärmeren Gewässer der Ober-Elbe um dort zu laichen. Der Zeitpunkt variiert von Jahr zu Jahr und ist abhängig von der Temperaturentwicklung in den Gewässern. Der Stint ist da! verkünden dann Schilder in den Schaufenstern norddeutscher Fischgeschäfte und auf den Speisekarten der Restaurants werden Stinte satt! angeboten.
Knappe vier Wochen nur, dauert die Saison, dann aber gibt es den Fisch täglich frisch vom Kutter: die 10-20 cm großen silbergrauen Fischchen duften appetitlich und intensiv nach Gurke!

Foto: Stevan Paul

Nur die größeren Exemplare werden ausgenommen. Immer aber werden die Fische im Ganzen in Roggenmehl paniert und in Butterschmalz knusprig gebraten. Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle die neuen Unsitte bleiben, die sich mittlerweile leider in einigen Hamburger Restaurants eingeschlichen hat: die armen Fische wandern dort in die Fritteuse und schmecken anschließend leider auch, ganz genau: nach Fritteuse. Nein, soviel der Mühe muss es schon sein, Stint will in Butterschmalz, oder einer Butter-Öl-Mischung geschwenkt werden, bis er goldbraun ist und buttrig duftet. Bisschen Salz und fertig! Gerne wird hier und da etwas Speck im Butterschmalz mitgebrutzelt, der übertönt allerdings schnell den zart nuancierten Geschmack des Fisches und auch der im Affekt gereichte Zitronenschnitz ist kein Zugewinn. Auf NutriCulinary.com findet sich mein Lieblingsrezept für Stint satt!

Foto: Stevan Paul

Es ist aber nicht nur ein kulinarischer Glücksfall, wenn sich die Stinte einmal im Jahr zeigen. Noch im 19. Jahrhundert wurden die Fisch an der Elbe in Waschkörben an Land gezogen und waren ein Arme Leute – Essen. Mit der zunehmenden Verschmutzung der Flussläufe verschwanden die Stinte beinahe völlig. Seit den 1990er-Jahren steigt die Wasserqualität der Elbe erfreulich und die Stinte sind zurück – ein doppelter Grund zur Freude.
Den wenigen professionellen Flussfischer die es noch gibt, bedeuten die kurzen Wochen mit dem Stint Knochenjob und Hochsaison: mit jedem Niedrigwasser werden die Netze ausgebracht, bei Hochwasser wird gefischt, Rund um die Uhr, im eisigen Wind, dem Rhythmus der Gezeiten folgend.
Am Elbufer danken es die Menschen, essen den Stint mit Genuss und freuen sich mit dem letzten Gabelhappen im März schon auf die nächste Saison. Mal sehen, wann sich der Stint im kommenden Jahr zeigt.

Stevan Paul

Stevan Paul
Foto: Stefan Malzkorn

Stevan Paul, Jahrgang 1969, lebt und arbeitet in seiner Wahlheimat Hamburg.
Den Kochberuf erlernte er 1988 bei Sternekoch Albert Bouley im Restaurant Waldhorn in Ravensburg. Von 1990 bis 1995 kochte Stevan in verschiedenen preisgekrönten Küchen, sowie von 1995 bis 2000 für die Redaktion essen & trinken im Gruner & Jahr Verlag.
Mittlerweile arbeitet Stevan als Foodstylist, Rezeptentwickler und Produktioner für Magazine, Verlage und Werbeagenturen. Als freier Autor schreibt er zudem Texte, Kolumnen und Reisereportagen für Zeitschriften, Magazine und Tageszeitungen und verfasst eigene belletristische Kochbücher. Im Herbst 2012 erschien im mairisch-Verlag „Schlaraffenland-Ein Buch über die tröstliche Wirkung von warmem Milchreis, die Kunst, ein Linsengericht zu kochen, und die Unwägbarkeiten der Liebe“, Stevans zweites Buch.

Website: www.stevanpaul.de
Blog: www.nutriculinary.com

Eventdetails und Teilnahmebedingungen
Übersicht (Portraits und Rezepte)

veröffentlicht am: 06.03.2013

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Senf dazu geben

2 Kommentar(e)

  • Mit Roggenmehl paniert? Oh, das probier ich mal mit was anderem aus – Stint kriege ich ja in der Schweiz nicht.
    Übrigens funktioniert der Link zum Lieblingsrezept leider nicht.

  • Komisch, dass der Link nicht funktioniert. Bei mir tut er’s. Stevan’s Lieblingsrezept ist das Selbe, wie es weiter oben schon mal verlinkt ist, nämlich dieses hier:
    http://nutriculinary.com/2013/03/06/stinte-satt-und-kartoffelsalat-mit-chuck-norris/

    Ich habe gelesen, dass es auch Binnenstint gibt, der in größeren Binnengewässern lebt und dessen Population stark vom Reproduktionserfolg abhängt. Die tendieren nämlich dazu, nach dem Laichen massenweise zu sterben (mahr am 10. im Steckbrief). Vllt. also doch in der Schweiz auftreibbar?

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