#sommeroffline – die Almfamilie

Die auf ca. 2100 Höhenmetern im Wanderparadies Ahrntal gelegene Rötalm ist seit den 80er Jahren in Familienbesitz und wird mit vereinten Kräften bewirtschaftet.

die Mädchen und ich
Foto: Selfie

Herr über Vieh, Käse, Butter, Wasser und alles Technische ist K., ein Bauer in seinen 70ern, der mehr Power hat, als so mancher Dreißigjährige. Sein Arbeits- und Facetten-reiches Leben wäre wert, in einem Buch festgehalten zu werden.

K., Mulle, Hilde und Trude

Gute Seele der Alm und Gastgeberin ist seine Frau A. Sie kümmerte sich mit mir zusammen um die Hütte, kochte abwechselnd mit Enkelin L. für unsere Gäste und sorgte für unser leibliches Wohl.

Friseurbesuch auf der Alm
A. wird aufgehübscht (Friseurbesuch auf der Alm)
© multikulinarisches

Während der Schulferien wurde im Juli und August unser dreiblättriges Kleeblatt von Enkelin L. und Freundin H. ergänzt. Die Mädchen hatten schon oft ihre Ferien auf der Alm verlebt und waren eine große Hilfe – wenn sie denn einmal aus den Betten gefunden hatten – sowie die reinsten Sonnenscheine.

Äpfel schnippeln fürs Apfelkompott
L. und H. beim Äpfel schnippeln fürs Apfelkompott
© multikulinarisches

Sohn S. und dessen liebe Frau P. hielten das Unterfangen hinter den Kulissen am Laufen. S. war Koordinator, Kommunikator (über Funk) und unser wichtigstes Bindeglied zur Zivilisation. Er war es, der mit einem Rucksack in der Größe eines Kleinwagens mindestens ein bis zwei Mal pro Woche zu uns heraufgeschwitzt kam, um die benötigten Lebensmittel (Eier und Brote für die Gäste, sowie Fleisch und Grünfutter für uns) anzuliefern und auf der Alm zu helfen. Er freute sich über meine Wissbegier und Lust, Dinge auszuprobieren und zeigte mir, wie man eine Sense so benutzt, dass der Fuß dran bleibt und das Gras ab.

Heuernte auf der Alm
S. beim Heu einbringen
© multikulinarisches

Es war immer schön, wenn S., P. oder einer ihrer Söhne auf der Alm waren, um zu helfen. Dann waren die sowieso glücklichen Mädchen besonders glücklich und alle genossen die Momente in Familie. Ich auch. Auch wenn ich mich fremd fühlte, gab man mir nie das Gefühl, nicht dazu zu gehören.
Besonders schön waren die ruhigen, sonnigen Augenblicke, wenn am Nachmittag der Gästestrom abflaute und wir gemeinsam um ein Brett mit aufgeschnittenem Speck in der Sonne klönten, am improvisierten Grill Würste drehten, Heidelbeeren sammelten und als Beerennocken zubereiteten oder wenn wir abends mit einer Tasse Kakao vor der Hütte saßen, Sterne guckten und Almgeschichten lauschten.

P. und die Mädchen beim Grillen

Apropos lauschen. Hätte meine Almfamilie sich nicht die Mühe gemacht, hochdeutsch zu reden, wenn ich dabei saß, hätte ich weder die Geschichte vom zahmen Murmeltier, noch die neuesten Neuigkeiten aus dem Tal mitbekommen. Im Ahrntal wird nämlich ein für deutsche Ohren weitestgehend unverständliches Deutsch gesprochen und in Prettau und Kasern nochmal ein davon abweichender Dialekt. Dieser entstand durch die Bayrischen Bergarbeiter, die in vergangenen Jahrhunderten im oberen Ahrntal nach Kupfer gruben und in Genpool und Sprache Spuren hinterließen.

Ab und an besuchten uns auch der Papa und die Mama von H. und brachten Pfifferlinge, Weißwein (für mich) oder Gemüse (auf meinen Wunsch hin) mit.
Eines sonnigen Tages hatte L. Besuch von einer Nachbarsfamilie. Die Kinder gingen Heidelbeeren sammeln und verhökerten diese äußerst geschäftstüchtig an die Gäste. Sie wuselten aufgeregt plappernd im Haus herum, kamen uns, die wir alle Hände und den Kopf voll hatten, in die Quere, ließen die Waage heiß laufen und steckten uns mit ihrer Freude und Aufgeregtheit an. Ein animierter Nachmittag für uns alle … 🙂

Beide Mädchen hatten im August Geburtstag und bereiteten sich gegenseitig einen bunt geschmückten Geburtstagstisch. Ich half bei den Vorbereitungen und steuerte eine selbst gebastelte Glückwunschkarte (für H.) und selbst improvisierte Heidelbeer-Quarkkeulchen (für L.) bei. Am Wochenende gab es dann noch eine waschechte Geburtstagstorte für Beide, die die zwei Familien aus dem Tal hoch schleppten.

Ich war sehr froh, dass L. und H. den Sommer über auf der Alm waren. Ihr Lachen und ihre Kreativität waren erfrischend und dass sie mir einen Briefkasten bastelten und diesen fast täglich mit handgeschriebenen Briefen füllten, hat mich tief berührt. Als es an der Zeit war, die Alm zu verlassen und zur Schule zurück zu kehren, haben die Beiden einen ganzen Tag lang gemalt, gedichtet und gebastelt und mir zwei goldige Abschiedsbriefe geschenkt. Hachz.

Abschiedsbriefe

Fortsetzung folgt.

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mehr zum #sommeroffline:
Teil 1: von einer die auszog …
Teil 3: die Almhütte
Teil 4: die Almtiere
Teil 5: das Wetter
Teil 6: die Produkte
Teil 7: die Sennerin
Teil 8: Gäste und Gerichte

veröffentlicht am: 17.10.2017

noch mehr Appetit holen

Senf dazu geben

7 Kommentar(e)

  • Wahnsinn! Einfach irrsinnig schön, was Du da erlebt hast. Wie gut, dass Du Dich irgendwann von der Alm trennen konntest, um uns jetzt davon zu erzählen.

  • Diesen Sommer habe ich mich davongemacht und es #sommeroffline genannt. © multikulinarisches Eine urige Alm oberhalb 2000 Höhenmetern, umrahmt von majestätischen Dreitausendern, schien mir ein geeigneter Ort, um den Kopf frei zu bekommen und di

  • Oh, wie jammerschade, diese glückliche Zeit hätte ich liebend gern mit Dir erlebt. Aber für Dich war es sicher hilfreicher, daß wir gerade im September, wo Du den meisten Zuspruch brauchtest, bei Dir sein konnten. Es sollte eben alles genau so sein…

  • Also, das Ding mit dem Butterfaß war wirklich eine ganz hinterlistige Aktion!
    Nenee,alles gut! Das Kilo wäre auf alle Fälle jetzt schon lange aufgeschleckt und hinge auch noch um meine Hüften. Ist schon besser, daß die Butter da oben blieb.
    Und von der Besuchszeit her – wie Du sagst, genau richtig!

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