Es sieht so aus, als hätte sich der grüne Daumen 2016 verrenkt. Und nicht nur der. Wer den euphorischen Bericht zur Balkongartensaison 2013 gelesen hat, weiß dass wir auf unserem sonnigen Balkon ideale Bedingungen für Sonne und Wärme liebende Pflanzen haben. Und nie größere Probleme. Bis jetzt!
© Wildkraut & Wanderschuh
Die Chilis wollten von Anfang an nicht keimen. Kein einziger der zwölf in Anzuchterde steckenden Samen hat sich je wieder blicken lassen. Trotz Kamillenteebades!
Die Kaffirlimette hat sich im Winterquartier eine ganze Herde (weitestgehend abgesammelter) Schildläuse eingefangen und, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, keine neuen Blätter angesetzt.
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Die jedes Jahr treu blühende Rose scheint verwirrt. Im vergangenen Jahr musste ich sie mitten im Sommer wegen Schädlingsbefall und kompletten Abwelkens zurück schneiden. Daraufhin trieb sie einfach ein zweites Mal aus und bescherte uns bis zu den ersten Frösten eine üppige Blütenpracht. Nun ist sie wohl etwas durcheinander und zeigt noch keine einzige Knospe.
Tomaten auf dem Balkon
Nach vielen weitestgehend problemlosen und schmackhaften Tomatenjahren auf dem Balkon hat uns 2016 kalt erwischt. Zwar keimten alle Kandidaten brav (von samenfesten Sorten vom letzten Jahr), entwickelten sich aber nicht wie gewohnt zu kleinen, stabilen Pflänzchen, sondern schossen auf halsbrecherich dünnen Stängeln in die Höhe, um anschließend abzuknicken und einzugehen. Ein einziges Tomatenpflänzchen konnte ich durchbringen. Däumelinchen ist noch immer nur 4 cm groß. Und tapfer. Ich bringe es nicht übers Herz, dem Winzling den Garaus zu machen.
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Seit wir uns an unseren köstlichen Sichtschutz auf Balkonien gewöhnt hatten, war die Vorstellung eines Balkonjahres ohne Tomaten unerträglich. Deshalb hatte ich bei Facebook angefragt, ob jemand ggf. Tomatensetzlinge (alte samenfeste Sorten) übrig hat und mir gegen Porto senden mag. Zu meiner großen Erleichterung, flatterten mir kurz darauf drei quicklebendige und wesentlich properer als mein Nesthäkchen aussehende Tomatenpflanzen ins Haus. Diesmal sogar ohne Post-Odysee. Mein ganz großes Dankeschön für die spontane Tomatenhilfe geht an Barbara vom Blog Schlecktüre! Im Tomatenwettrüsten mit dem Nachbarbalkon liegen zwei von Barbaras Pflänzchen sogar knapp vorn. 🙂
Kräuter auf dem Balkon
Abgesehen von selbst Ausgesätem bestelle ich die restliche kulinarische Begrünung gern beim Bio-Gärtner Herb in Bayern. Die Auswahl an Kräutern ist enorm und die Preise bodenständiger als bei Marktführer A&S.
Verkorkst, wie dieses Gartenjahr schon mal angefangen hatte, ging es auch weiter. Die Zustellung der bestellten Kräuter und Gemüse-Jungpflanzen erfolgte einen Tag vor Himmelfahrt. Angeblich. Der Zustellbescheid im Briefkasten trotz anwesenden Mittagskochers zeugt eher von Treppen-Unlust des Zustellers. Wäre halb so wild, wenn Donnerstag kein Feiertag gewesen wäre und wir Freitag nicht für mehrere Tage den Posten hätten verlassen müssen.
Habe also den Paketdienst-Support eingeschaltet mit der Erkenntnis, dass am Freitag gar nicht erst versucht wurde zuzustellen und dem Ergebnis, dass das Paket am Samstag bei Nachbarn abgegeben wurde ohne den dringlich erbetenen Hinweis, sie mögen wegen lebender Fracht bitte den Karton öffnen. Als wir dann Tage später endlich die Pflanzen aus ihrem Kokon befreien konnten, befürchtete ich Schlimmstes.
Augenscheinlich hatte die sehr gute feuchtigkeits-bewahrende organische Verpackung und gute Konstitution der Pflanzen Todesfälle verhindert. Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Pflanzen so schonend wie möglich zu akklimatisieren. Schatten, nicht gleich gießen, etc. Trotzdem hat es den Basilikum direktemang aus den Latschen gehauen. Den Thymian geraume Zeit später nach dem Umtopfen und der Salbei sah auch schon wesentlich besser aus. Pffft. Der Holy Basil hatte trotz Misere ein standhaftes Zweiglein, welches durch Aussaat der Samen vom Vorjahres-Exemplar Gesellschaft bekam. Beim Genoveser Basilikum hat auch das Nix genutzt.
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Hochbeet auf dem Balkon
Im Hochbeet (3 an den Seiten mit Folie ausgekleidete und mit Blähton und Erde gefüllte Apfelkisten) scheint dagegen alles soweit seinen Gang zu gehen. Zwei mal Palmkohl, drei Dicke Bohnen, Kerbel, Hirschhornwegerich, Stängelkohl und mit etwas Glück auch gelbe Bete gedeihen vor sich hin. Hinzu kam kürzlich zwei Stängel Echte Kamille, die ich im Freiland entdeckt hatte und die hoffentlich in meinem kleinen Refugium anwurzelt und Nachwuchs produziert. Die beiden langen Schösslinge vorn sind mir ein Rätsel. Vllt. irgendwas vom Vorjahr, was erst jetz keimte oder 2 von Vögeln paralle hineingeschissene Baumsamen? Wer weiß das schon so genau …
© Wildkraut & Wanderschuh
Grund zur Freude sind zudem der üppige Mangold und die beiden Neuzugänge von der Küste. Zum Einen der Queller, dessen Grün ich gern direkt in mich hinein schnurpsele und zum Anderen der Meerfenchel. Darf nur nicht vergessen, dem Queller (Foto ganz oben) ab und an etwas Meersalz zu spendieren.
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Um die Überlebenden des katastrophalen Starts ins Balkongartenjahr 2016 nicht auch noch zu verlieren, habe ich mir gestattet Schädlinge und Nützlinge zum Thema der GeschmacksFrage Juni zu machen.
Wie man sieht, ist so’n Balkongarten wie das echte Leben. Auch wenn das Internet dazu tendiert, die dunkleren Farben des Lebens (und Gartens… oder seht ihr hier Fotos toter Pflanzen?) auszublenden, sind sie da. Wie Dickmaulrüssler nagen sie an uns, untergraben Lebensfreude und Selbstvertrauen, Kummer legt sich wie Mehltau auf die Seele und Stress saugt an uns wie die Blattläuse an meiner Limette …
Wie im Balkongarten gleicht kein Lebensjahr dem Anderen. Es gibt Hoffnungen, Sorgen, Bemühungen, Enttäuschungen, Überraschungen, Quertreiber und Rückschläge, Wirrungen und Verluste, aber auch Erfolge und Geschenke. Ein ständiges Auf und Ab oder Beides gleichzeitig. Überwiegen die Abs, dann muss man sich um so mehr an Kleinigkeiten erfreuen. Und auf bessere Zeiten hoffen. In diesem Sinne
… gehe ich jetzt mal paar Minuten auf den Balkon.
Einfach herrlich, dieser Balkonartikel!!!
Deine Art, die verschiedensten Befindlichkeiten der Pflanzen zu beschreiben, ist mit wachsender Freude, sogar Spannung, köstlich zu lesen.
Paß nur gut auf, daß die beiden langen Schwuppen, Dir nicht als Bäume in den Himmel wachsen.