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Am Montag war ich zum Neujahrspresseempfang in’s Berliner maremoto geladen. Ich war stolz wie Oskar und etwas aufgeregt…
Dieses eher ungewöhnliche Restaurant mit absolut ungewöhnlicher Küche befindet sich in einer ebenso ungewöhnlichen Location. Direkt am Strausberger Platz, einem Monument stalinistischer Bau- und Denkweise.
Auf meine Frage an Cristiano, warum man gerade diesen zwar beeindruckenden, aber wenig kulturell & kulinarisch bel(i)ebten Ort abseits jeglicher Flaneure gewählt habe, sagte er:
„Hier ist absolute kulinarische Wüste. Wir sind hier nur 2 km vom Experiementier-Laden Taller in Kreuzberg entfernt und doch in einer ganz anderen Welt.
Er erwähnte auch, dass er als Berliner (naja, mehr oder weniger – wie wir alle auf diesem Fleckchen Erde) 100%-ig zu Berlin steht, was weniger populäre Grauzonen mit einschließt. Wenn das Restaurant in Mitte, neben Hunderten Anderen ansässig wäre, gäbe es den Reiz des Besonderen nicht. Das nenne ich ein stimmiges Konzept…
Vorgestellt werden sollte ein Auszug aus dem neuen Winter-Menü ‚Die ganze Wahrheit‘. Solch ein Menü umfasst 15 Gänge und man kommt aus dem Staunen nicht heraus…. Alle Geschmacksknospen und Sinne werden angesprochen und oftmals an der Nase herum geführt. Genial!
Zu Beginn führte Herr Brauner in die geschichtlichen Hintergründe des fälschlicherweise ‚molekulare Küche‘ genannten neuen Kochstiles ein. Wir lernten, dass jeglicher normale Kochvorgang, Prozesse auf molekularer Ebene beinhaltet. Eine treffendere Bezeichnung für die unter anderem von von Ferran Adrià geprägte, und seinem Schüler Cristiano Rienzner angewandte und weiterentwickelte Küche ist: techno-emotionale Küche. Ohne Verwendung künstlicher Zusatzstoffe werden mit Hilfe diverser technischer Verfahren Struktur und Wahrnehmung von Lebensmitteln verändert (dekonstruiert) und neue Geschmackskombinationen geschaffen.
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Dies konnten wir leibhaftig anhand diverser Snacks und 4 atemberaubenden Gängen aus dem neuen Menü erfahren. Schwer zu beschreiben, wie harmonisch und gleichzeitig spannend jeder einzelne Gang daherkam. Obwohl nichts so war, wie man es kennt oder erwarten würde, waren Texturen und Geschmäcker (man verzeihe mir diesen Ausdruck) der einzelnen Bestandteile absolut stimmig und auch noch echte Hingucker! Ich war, genau wie meine Tischnachbarin versucht, den Teller abzulecken um dieses Fest für die Sinne bis zum allerletzten Molekül auszukosten…
Der Blick in die Küche bot weitere Überraschungen. Ich hatte mir doch tatsächlich einen großen Raum voller kompliziert anmutender technischer Gerätschaften und Schubladen voll filigranem an Chirurgenbesteck erinnerndem Kochzubehör vorgestellt. Stattdessen empfing mich ein Raum nicht wesentlich größer als meine Küche (die ist nicht sonderlich groß) und die Anzahl Herdplatten, die ich ausmachen konnte überstieg die meines Normalo-Herdes ebenfalls nicht. Offensichtlich wird in dieser Küche gezaubert. Einzige Zeugnisse für eher unkonventionelle Kochmethodik stellten ein attraktives Räucheröfchen und ein Gerät zum Niedrigtemperaturgaren dar, welches mich an Ultraschallbäder aus meinem früheren Leben als Chemieingenieurin erinnerte.
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