Als die Einladung zum Forum Genuss Alpen – Denken und genießen auf Vorarlberger Art ins Postfach flatterte, stand nach kurzem Blick auf das Programm fest, dass hier nicht nur höhenluftverwöhnte Leckerbissen lockten, sondern das Festival ernsterer Natur war.
© Vorarlberg Tourismus/Christian Schramm
Das Forum Genuss Alpen fand zum ersten Mal statt und stand unter dem Motto Gutes Leben – erfolgreiches Wirtschaften; regional + nachhaltig + fair: Zukunftsperspektiven für Tourismus und Landwirtschaft. Keine idealistische Augenwischerei, sondern herzhaft bodenständige Bestandsaufnahme und Vorantasten in eine Zukunft, die Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gastlichkeit unter einen Hut bringen möchte.
Bereits seit 2012 gibt es die Landwirtschaftsstrategie 2020 „Ökoland Vorarlberg – regional und fair“, mit der das Land Vorarlberg die Verantwortung für seine Bäuerinnen, Bauern und Bergbauern sowie die Umwelt im ländlichen Raum selber in die Hand genommen hat, anstatt auf Weisungen und Geld aus Brüssel zu warten.
Das Forum Genuss Alpen ist somit eines von vielen Puzzleteilen, die dem erklärten Ziel, bis 2020 europaweit die Nummer 1 in Sachen Nachhaltigkeit, Gastlichkeit und Regionalität werden zu wollen, dienen. So standen denn auch sämtliche Veranstaltungen des Forum Genuss Alpen trotz ihrer Vielfalt unter diesem gemeinsamen Nenner.
Da wollte ich hin!
Ein paar Hürden und Höhenmeter später war es soweit. Nach sehr frühem Start und 10 Stunden Fahrt entstieg ich am 12.6. leicht derangiert in Feldkirch dem Zug. Der hatte Verspätung und ich somit nur 10 Minuten Zeit, eine zerknautschte Reisende in einen halbwegs stilvollen Gast zu transformieren. Dabei stand mir mein Fuß im Wege, musste doch das Outfit auf den bandagierten Fuß samt Schuhwerk abgestimmt werden.
Bei der für mich ersten Station der kulinarischen Bergtour angekommen, wurden wir mit Mathilda Soleil, einem limitierten Weizenbock Schneider Weiße als Aperitif begrüßt.
© Vorarlberg Tourismus/Christian Schramm
Lag es am edlen Kelch oder am Bier, es hat mir gemundet. Dieses Bier war das Erste einer ganzen Serie bemerkenswerter Biere, die das Nose-to-Tail-Dinner untermalten. Vorgestellt wurden diese mit Sachkenntnis und unermüdlichem Eifer von Bier-Sommeliere Silvia Mayer.
© Vorarlberg Tourismus/Christian Schramm
Für Uneingeweihte ein Wort zum Nose-to-tail-Konzept. Dieser Begriff, der soviel wie von der Nasen- bis zur Schwanzspitze bedeutet, wurde 2004 von Fergus Henderson in seinem Buch ‚The Whole Beast: Nose to Tail Eating‘ geprägt. Die simple Aussage hinter diesem Genusskonzept ist, dass Nutztiere nicht nur aus Lenden, Brüsten und Rückenstücken bestehen und in logischer Konsequenz – und als Zeichen unserer Wertschätzung fürs Tier und dessen Halter – in Gänze genüsslich verspeist werden sollten.
Neben Umschalten im Kopf bei Restaurantgästen erfordert dies auch Einiges an Wiedererlernen bzw. neu Erkundens der Thematik Innereien bei Gastronomen. In Vorarlberg, wo vielfältige Anstrengungen unternommen werden, um die Worthülse Nachhaltigkeit mit Leben zu füllen, hat sich unter Anderem Gastwirt Dietmar Dorn im Gasthof Kreuz in Frastanz auf diese Reise begeben. Wir durften ihn begleiten und das eigens für Forum Genuss Alpen kreierte 10-gängige Nose-to-Tail-Menü genießen.
© Vorarlberg Tourismus/Christian Schramm
Die Kälber wurden von den Landwirten Bruno und Auguste Gassner aufgezogen und von Metzgermeister Joe Egger zu Brät, Kalbsbratwurst, Leberwurst und Blutwurst verarbeitet. Am Herd standen Didi Dorn und seine fleißige Küchen-Crew.
Das Menü:
1. Kalbssülzchen mit Bieressig und Kernöl, gebratenes Bries, Vitello Tonnato
2. Kalbsrahmsüppchen mit Gartenkresse, Tafelspitzsuppe mit Milzschnitte
3. Blutwurst und Leberwurst auf Sauerkraut mit Petersilkartoffeln
4. Kalbsleberscheibe an Portweinsauce, Zunge an Meerrettichrahmsauce, Saure Niere mit Kartoffelstock
5. Kalbsrahmbeuschel mit Serviettenknödel
6. Faschiertes Butterschnitzel, Kalsbratwurst mit Röstzwiebeln, Kalbsbrät im Netz mit Rosmarinkartoffeln
7. Tafelspitz mit Semmelkren auf Wurzelgemüse
8. Kalbsschlepp, geschmortes Kalbsvögerl, Kalbsrahmgulasch mit Tomatenpolenta
9. rosa gebratene Kalbsnuss, gefüllte Kalbsbrust auf feinem Gemüse
10. Topfennockerl mit Butterbrösel, gebackene Holunderstauben mit Erdbeeren und Rhabarberkompott
© Vorarlberg Tourismus/Christian Schramm
Das Käsebuffet wurde zum Glück gestrichen, als abzusehen war, dass man es zu gut mit uns gemeint hat. 20 veritable Pröbchen vom Kalb auf 9 Gänge verteilt (plus Dessert) hätten nur in homöopatischer Dosis in meinen (recht verfressenen) Magen gepasst. Das war schade, steckte doch so viel Mühe und Herzblut in jeder einzelnen Komponente.
Trotz größten Interesses konnte ich die letzten Gänge nur noch annippen und musste einen komplett streichen. Sonst wäre ich geplatzt. Das widerum wäre ebenfalls zu schade gewesen, denn dieses hammermäßige Nose-to-Tail-Menü war erst der Anfang …
Die ganze Story:
Teil 2: Gutes Leben – erfolgreich wirtschaften
Teil 3: Montafoner Spezialitätenmarkt
Teil 4: Süßwasserfisch in Wort und Tat
Teil 5: zahme Tiere, wilde Kräuter …
Teil 6: Wilde Weiber-Menü
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Und wer Appetit bekommen hat, hinsichtlich der kreativen Verwendung tierischer innerer Werte aber planlos ist, dem sei eine kleine Literaturauswahl nahegelegt:
von: A.B. Bittermann
September 11, 2013
Freu mich schon auf die Fortsetzung. Tolles Menü und sehr schöne Buchauswahl, die du hier zusammengestellt hast!
Schöne Grüße
Thomas