Wir tun es andauernd…. Intuitiv oder routinemäßig, nach unge-
schriebenen oder in Rezepten fest gemeiselten Regeln. Foodpairing. Das sinnvolle Kombinieren von Lebensmitteln. Aber ist es das, was der Begriff Foodpairing tatsächlich meint?
Unter Foodpairing versteht man laut Definition die Theorie, dass Lebens- und Genussmittel miteinander harmonieren, welche mindestens ein Haupt-Aroma gemeinsam haben.
Basierend auf einigen simplen, grundlegenden Food & Wine-pairing-Strategien gibt es zu dieser Thematik einige hilfreiche Wegweiser im Netz (allesamt englisch).
Food & Winepairing
Regeln für Food- & Wein-Pairing
Food & Winepairing
Bei diesen steht allerdings meist die Kombination von Speisen mit Wein (oder anderen Getränken) im Vordergrund.
Wesentlich präziser (und interessanter) wird es, folgt man den Gedankengängen und Experimenten des belgischen Biologie-Ingenieurs Bernhard Lahousse, der sich in Zusammenarbeit mit weiteren Wissenschaftlern intensiv mit Lebensmitteln, deren Zusammensetzung und daraus ableitbaren Kombinations-Mechanismen auseinander gesetzt hat.
Ich habe Bernhard Lahousse bei einem Fachvortrag auf dem Bar Convent Berlin gehört und war von Thematik und Herangehensweise fasziniert. Die mitgebrachten Pröbchen (Bier mit Banane und Scotch-Whiskey mit schwarzem Tee) bestätigten die Theorie von Foodpairing auf beeindruckende Weise. Auch wenn es sich bei Bier, Whiskey und Tee nicht um Food im eigentlichen Sinne handelt.
Obwohl nicht im ‚Thesaurus der Exakten Wissenschaften‘ vermerkt, hat das von Bernhard Lahousse vorgestellte Modell zur Paarung von Lebens- und Genussmitteln einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch. Schließlich wird nicht nach rein subjektiven Gesichtspunkten charakterisiert und kombiniert, sondern exakte Wissenschaften, wie die Chemie, zu Rate gezogen.
Wie in der Definition bereits angedeutet, werden die Hauptbestandteile (Aromen) von Lebensmitteln analysiert und gelistet. Mit Massenspektrometrie nehme ich mal an. Bei diesem Analyse-Verfahren werden die Substanzen einer Probe aufgesplittet und in einem geeigneten Detektor in ihre Moleküle zerlegt und registriert. Ich weiß wovon ich spreche, habe ich doch selber 7 Jahre meines Lebens mit chemischer Analytik verbracht…
Aufbauend auf den Analyseergebnissen konnten Lebensmittel, welche gleichartige Aroma-Moleküle aufweisen, einander zugeordnet werden. Auf diese Weise entstand ein recht umfassender Katalog mit komplementären Lebensmitteln, der visualisiert wurde und als Tool kostenfrei im Internet genutzt werden kann (in englischer Sprache). Derzeit umfasst die Datenbank ca. 250 Lebens- und Genussmittel und es kommen laufend neue hinzu.
Genaugenommen stehen auf der Foodpairing Website zwei Tools zur Verfügung.
Im ersten ‚What fits well with…‘ kann man das gewünschte Lebensmittel in die Suchmaske eingeben oder aus der aufzuklappenden Seitenleiste aussuchen. Sofern in der Datenbank vorhanden (und Javascript aktiviert) erhält man anschließend ein an Pusteblumen erinnerndes Gebilde. Im Zentrum befindet sich das zu verpaarende Lebensmittel. Außen herum gesellen sich die Lebens- und Genussmittel, welche laut Chemie mit dem ersten Kandidaten korrespondieren (sprich, sich vermutlich gut kombinieren lassen). Je länger die Verzweigung ist, desto passender ist der jeweilige Partner. Im oben eingebundenen Beispiel sieht man zum Beispiel, dass die Kombination von Olivenöl und (Weißer) Schokolade, wie im aktuellen Blogevent vom Blog Feinschmecker-Olivenöl erbeten, gar nicht so abstrus ist, wie sie scheinen mag…
Über so genanntes ‚Linking‘ können zudem 2 eigentlich nicht miteinander harmonierende Lebensmittel durch ein Drittes ‚passend gemacht‘ werden.
Das zweite Tool ‚What can replace…‘ zeigt an, wie ein Lebensmittel, welches man ggf. nicht auf Lager hat oder warum auch immer, mit annähernd gleichem Geschmackserlebnis ersetzt werden kann.
Gibt man den Namen eines Lebensmittels ein, erhält man verschiedene Zweige mit jeweils mehreren Substanzen angezeigt. Ersetzt man nun das Ausgangsprodukt mit allen Substanzen eines Zweiges, die in der Summe die verschiedenen Haupt-Aromen des Ausgangsproduktes beinhalten, sollte das dann so ähnlich schmecken, wie gewünscht…
Basierend auf solcherlei Erkenntnissen sind kreative Köpfe in der Lebensmittelindustrie genauso gefragt, wie eine Umsetzung in Gastronomie oder Adaption am heimischen Herd.
Letzteres wird mit einer Serie Blogevents ‚TGRWT‘ (They Go Really Well Together) herausgekitzelt. Bei dieser besonders spannenden Form von Koch-Blogevents werden zwei Komponeneten vorgegeben, die laut Chemie (und darauf basierender Theorie) zusammen harmonieren (sollten).
Aus diesen beiden Zutaten darf der engagierte Hobbykoch ein Mahl zaubern und anschließend verbloggen. Besonderes Augenmerk bei der Beschreibung wird darauf gelegt, wie gut die beiden Haupt-Zutaten miteinander korrespondierten und ob man das Ergebnis mochte oder eher nicht. Aktuell (bis 8.12.) läuft TGRWT #20 mit Kürbis und gekochtem Hühnchen…
Wer jetzt trotz der langen Lektüre so richtig angefeuert ist, möge im Foodpairing Blog weiterstöbern oder eine Teilnahme an ‚The Flemish Primitives‘ erwägen.
The Flemish Primitives ist ein beachtenswerter Event, der sich um das Thema Foodpairing dreht und zum zweiten Mal namhafte Wissenschaftler, Spitzenköche und Industriepartner aus aller Welt zusammen führt, um dieses spannende Thema zu beleuchten, zu verkosten und zu neuen Ufern zu tragen.
Einen Bericht über The Flemish Primitives 2009 gibt es beim ‚Kompottsurfer‘:
Fortschritte in der haute-cuisine – und wieder schlafen die Deutschen
Weitere Informationen direkt beim Veranstalter:
The Flemish Primitives
Ich würde es auch nicht als starres Regelwerk sehen, sondern als Inspirationsquelle. Auf manche gut mögliche Kombination würde ein weniger intuitiv Kochender vermutlich niemals kommen, geschweige sich daran wagen. Aber so hat man Ideen, denen man nachgehen kann oder halt nicht…
Ich finde es jedenfalls spannend!
Mal sehen ob laut Chart auch Kaffee, Brombeeren und Pfifferlinge harmonieren, wie ich’s mal gekocht habe…