Bevor morgen die Hauptfigur der Almsaga – die Sennerin – die Bühne betritt, fehlt noch ein letztes Detail der Kulisse. Eine Alm ohne Tiere wäre wie Disneyland ohne Mickey Mouse.
Zusätzlich zu den Milchkühen Greta, Mulle, Resi, Taube, Lea, Sigrid, Nixe, Lore und Elsa waren einige Tage vorm offiziellen Almauftrieb Jungvieh und die beiden Schweine Trude und Hilde aufgetrieben worden. Die Milchkühe grasten tagsüber draußen und wurden abends in den Stall geholt. Das bedeutete jeweils einen langen Marsch durchs Tal und den Hang hinauf, was entweder die Mädchen, meistens aber K. übernahm. Einmal bin ich mitgegangen.
© multikulinarisches
Im Stall wurden die Kühe gemolken, was sie sich dank gut gefüllter Futter-Raufen gern gefallen ließen. Unglaublich, wie eine Kuh, die den ganzen Tag nichts anderes tut als Fressen, am Abend halb verhungert wirken kann … Am Morgen ging es nach erneutem Melken bei Wind und Wetter wieder hinaus.
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Nur wenn die Weide komplett eingeschneit war, blieben die Kühe im Stall und bekamen Heu.
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Das Jungvieh blieb die ganze Zeit über draußen. Nur einmal, an einem total verregneten Tag, folgte eine der halbstarken Kuh-Damen ihren Milch-gebenden Schwestern und schaute mit großen Augen und vertropften Wimpern hoffnungsvoll in Richtung Stall. Dieser Wunsch musste ihr mangels Platz allerdings verwehrt werden.
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Hütehund Lacky trug dafür Sorge, dass das Jungvieh gebührenden Abstand zum Weg ins Tal einhielt. Von lauten ‚Napaxe‘-Rufen angefeuert – was als na pack se interpretiert werden dürfte – fegte Lacky wie ein schwarzer Blitz durch die Botanik, um Jungvieh von allzu steilen Hängen und vom Weidezaun fortzujagen. Er selbst büxte aber in den ersten Tagen zwei Mal zur Freundin ins Tal aus, bevor er sich an das Almleben gewöhnte. Lacky mit A wurde schnell zum Rötalm-Maskottchen, da er auf seine charmante Art sämtliche Besucher begrüßte und beschmuste. Bis auf Zwei. Keine Ahnung, was die ausgefressen hatten.
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Die Katze namens Robine wurde beim Almauftrieb kurzerhand in den Rucksack verfrachtet und von einer Hof- zur Almkatze. Obwohl sie diese Prozedur schon an die 15 Mal mitgemacht hat, wirkte sie empört und strafte uns in den ersten Tagen mit Nichtbeachtung.
Wir zwei deplatzierten Seelen haben uns im Laufe der Zeit ein wenig angefreundet. Ob Robines verhaltene Zutraulichkeit meinen umwerfenden Katzenkraulkünsten oder den gelegentlich spendierten Wurst- und Hundefutter-Häppchen zuzuschreiben ist, ist schwer zu sagen … Robines Aufgabe ist die Mäusejagd. Ich war skeptisch, ob die kurzsichtige alte Katzendame überhaupt in der Lage sei, Mäuse zu sichten, geschweige denn zu fangen, sah sie dann aber doch eines Abends mit Maus im Maul.
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Die Schweine hatten ihr Quartier im Stall und schliefen, wenn sie nicht fraßen. Gelegentlich wurden sie von den Mädchen spazieren geführt oder durften alleine in der Nähe des Hauses herumschnüffeln. Einmal steckten beide Schweine im frisch geputzten Klohäuschen. Leider kam A. mit 2 Rollen Klopapier unterm Arm mir und meiner Kamera zuvor. Sehr schade!
Keines der Tiere auf der Rötalm diente zur Unterhaltung oder Deko. Da muss man den Tatsachen in‘s Auge blicken. Die Schweine jedenfalls, werden nächstes Jahr als Speck serviert.
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Schafe gab es auch, aber die bekam man nur selten zu Gesicht, weil die ca. 50 Tiere ihre Sommerfrische auf dem Bergrücken der Reinhardspitze verbrachten. Im September bereiteten sie K. Sorgen, denn bei Schneesturm drohten sie einzuschneien. Zum Glück besserte sich das Wetter schnell wieder, so dass die Schafe zwar bei tiefem Schnee, aber ohne gefährliche Winde vom Berg geholt werden konnten.
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Ich habe mir erzählen lassen, dass es früher auch Ziegen, Pferde und sogar mal einen Esel namens Bürgermeister auf der Rötalm gab.
Die Tiere auf der Alm werden gut versorgt, aber nicht verwöhnt. Platz im Stall gibt es nur soundsoviel und die Tierhaltung und Futterbeschaffung (Heu machen) muss neben allen anderen Aufgaben bewerkstelligt werden. Da bleibt keine Zeit für Streicheleinheiten oder Auf-Hochglanz-striegeln. Ich ertappte mich jedenfalls bei einer allzu romantischen Vorstellung, wie Landleben funktionieren sollte. Meine resultierende These besagt, dass es wohl drei Arten von Städtern in Bezug auf tierische Lebensmittel gibt:
1. Ahnungslose
2. Desinteressierte
3. Romantiker
Und ihr so?
Außer Haus- und Nutztieren bekommt man auf einer Alm gern auch mal Wildtiere zu Gesicht. Wir wurden gleich am ersten Tag, und noch einige Male mehr, von einem Adler begrüßt, der mit ausgebreiteten Flügeln gemächlich durchs Röttal glitt. Boah! Gemsen haben wir ein paar Mal gesehen und Wolken von Alpendohlen mit ihren schönen Melodien gesichtet und gehört. Auch die vielen Murmeltiere an den grünen Hängen waren eher zu hören als zu sehen, stießen sie doch bei vorbei ziehenden Wanderern mit Hund Warnpfiffe aus. Und wandernde Hunde gab es zu Hauf. Welche mit gaaanz kurzen Beinchen, welche in Kalbs-Format und alles dazwischen …
Fortsetzung folgt.
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mehr zum #sommeroffline:
Teil 1: von einer die auszog …
Teil 2: die Almfamilie
Teil 3: die Almhütte
Teil 5: das Wetter
Teil 6: die Produkte
Teil 7: die Sennerin
Teil 8: Gäste und Gerichte
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