Die saftigen grünen Bergwiesen mit Wildkräutern und -blumen stehen beim Vieh in hohem Kurs und sorgen für schmackhafte Milch und Folgeprodukte. Leider wird auf vielen Almen mit Milchkühen die Milch im Tal abgegeben und in anonymen Molkereien weiter verarbeitet. Die Rötalm ist hingegen kein gastronomischer Betrieb mit Deko-Kühen, sondern die auf der Alm gemolkene Milch wird vor Ort zu frischer Butter und Graukäse verarbeitet.
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Das war K.‘s Domain. Jeden Tag wuchtete er zwei schwere Metallkübel mit saurer Milch auf den Holzkohleherd, damit sich daraus Quark, das Ausgangsprodukt für den Graukäse, bilden kann. Hatte der Quark im Eimer die rechte Konsistenz angenommen, wurde der Inhalt mit einem großen löchrigen Schöpfer heraus gefischt und in der gelben Kinderbadewanne gesalzen und mit den Händen zerbröselt. Danach goss K. das Gemenge in eine ca. 40 cm weite Röhre mit Löchern an den Seiten, die aufrecht in einem Behälter stand. Die überschüssige Molke lief ab und mit leichtem Druck presste K. den Quark zusammen, so dass die typische Form des Graukäses resultierte.
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Die frischen Käse stellten wir zum Lüften und Trocknen jeweils einen Tag nach draußen, wo sie zugleich als Lockmittel für vorbei Wandernde wirkten. Der meistgehörte italienische Satz – neben dem vom Schild abgelesenen ‚oggi burro e formaggio‘ –, war irgendwas mit ‚Ricotta‘ , den ich mit ‚No ricotta. Questo e formaggio grigio. Fresco.‘ parierte. Nicht fehlerfrei, aber verstanden.
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Butter hat K. in etwa jeden 2. Tag gemacht. Abends schleppte er das schwere Butterfass in den Vorraum und platzierte den Kübel mit der Sahne sommers im Trog und im kalten September in die Nähe des Ofens. Ob die Butter gut gelingt, hängt in entscheidendem Maße von der Temperatur von Fass und Sahne ab. An Kübel-Tagen drehte das Butterfass seine Runden parallel zum Melken, wenn der Generator sowieso gerade lief.
Ist die Sahne in Butter umgewandelt, fischt man die Butterklumpen aus dem Kübel heraus und wäscht diese in einer großen Holzschüssel unter fließendem Wasser aus. Dann wird die Butter in die Holzform gedrückt und zu Wasser gelassen. Schwimmen alle sechs Kilo Butter als dekorative Stücken im Wasserbad, wird noch die Buttermilch in einen Eimer umgegossen und das Butterfass gereinigt, bevor es an seinen Platz verräumt wird.
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Als meine Lieben zu Besuch da waren und sich auf den Heimweg machen wollten, war K. extra früh aufgestanden und wollte Butter zum Mitnehmen kübeln. Ganz lieb!
Leider machte uns der Generator einen Strich durch die Rechnung. Auch der Ersatzgenerator, den wir zu viert etliche Meter zum Generator-Verschlag zerrten, dachte nicht daran, Strom zu erzeugen. Erst der Mechaniker konnte es am nächsten Tag richten. Den Kühen hat es nichts ausgemacht, ungemolken aus dem Stall zu ziehen. Meiner Mama ohne Almbutter von dannen, schon. Genau wie ich, hatte sie sich in die gute Butter auf der Alm schwer verliebt.
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Als Foodie hat es mir natürlich in den Fingern gejuckt und ich wollte sehr gern in die Geheimnisse der Butter- und Käsefertigung eingeweiht werden. Leider war K. meiner Lernbegier gegenüber nicht allzu aufgeschlossen, wenn es über theoretische Fragen oder Zuschauen hinaus ging. Außerdem waren meine Hände eh meist zu verpflastert, um sie in Butter oder Käse stecken zu können.
Gegen Ende der Almsaison habe ich mir nochmal ein Herz gefasst und gefragt, ob ich beim allerletzten Kübeln vllt. paar Handgriffe mitmachen darf, um wenigstens mal die Textur der Butter zu fühlen, wenn sie aus dem Butterfass kommt. Samtweich nämlich.
Durfte ich. Um nicht den Betrieb aufzuhalten habe ich aber nur kurz und nur wenige Handgriffe – Auswaschen, in die Holzform füllen und zu Wasser lassen – mitgemacht, anstatt die gesamte Prozedur.
K. erklärte mir noch, dass wenn die Butter nach dem Kübeln nicht richtig ausgewaschen wird, diese ranzig werden kann. Ich hatte mir Mühe gegeben, das Auswaschen und in die Form füllen der Butter genau so zu machen, wie er es gezeigt hat. Nur blieb bei mir, anders als bei ihm, Butter an den Händen und Buttermilch in der Butter. Zumindest befürchte ich Letzteres, denn meine zwei nach Berlin geschleppten Kilo Butter sind leider ranzig geworden. Das Dumme war, dass ich es erst bemerkte, NACHDEM ich diverse Nachbarn als bin-wieder-da-Gruß mit Butterstücken beschenkt hatte. Ähem.
Vielleicht lag es auch am Transport, aber K. weiß schon, warum er die Lebensmittelherstellung lieber nicht aus den Händen gibt. 🙂 Seine Butter ist jedenfalls nie ranzig geworden. Ich habe sie mir jeden Tag mit Begeisterung aufs Brot geschmiert und viele Leute haben sie kiloweise gekauft und in ihre Quartiere oder Heimat mitgenommen. Ebenso den Graukäse. Auch unsere Buttermilch war heiß begehrt, weil echt und keine mit Butterflöckchen gepanschte Milch. Eine Frau war extra wegen der frischen Buttermilch zu uns herauf gewandert und ganz traurig, dass nix mehr da war. Zufälligerweise hatte ich noch ca. 200 ml in meinem Glas und bot sie ihr an. Sehr zur Freude dieser Dame. Mit guten Lebensmitteln kann man Menschen nämlich glücklich machen.
Ich jedenfalls, habe Entzugserscheinungen …
Fortsetzung folgt.
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mehr zum #sommeroffline:
Teil 1: von einer die auszog …
Teil 2: die Almfamilie
Teil 3: die Almhütte
Teil 4: die Almtiere
Teil 5: das Wetter
Teil 7: die Sennerin
Teil 8: Gäste und Gerichte
Genau! Jetzt weiß ich an welcher Krankheit ich leide – Entzugserscheinung. Nu klar, dem Körper fehlt die herrliche Butter. Sämtliche Gelenke quietschen wieder, seitdem ich mich leider wieder auf „normalem“ Boden befinde und Supermarktbutter essen muß.
Oh Peggy, so ein Butterbrot war immer ein Genuß zum Augenverdrehen…