Bibliotheca Culinaria

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Bibliotheca Culinaria

Creative Commons License flickr.com/multikulinaria

Warnhinweis für Kochbuch-Junkies auf Entzug: Nicht weiter lesen!
Für alle, die der Kochbuchsucht anheim gefallen sind, hat sich nämlich in Berlin eine neue Anlaufstelle zum Fixen aufgetan: Die Bibliotheca Culinaria.
Der Besuch dort gestern nachmittag hat mich jedenfalls dermaßen aufgekratzt, dass ich ewig nicht einschlafen konnte und statt dessen nachts um 2 diese ersten Zeilen tippte.

Das lag an der Überdosis Kochbücher, einer Droge, der ich mich schwerlich entziehen kann, sowie der umwerfend netten Gesellschaft.
Mit mir waren übrigens 2 weitere Blogger vor Ort: Paul von Slow Travel Berlin und Suzan alias Foodie In Berlin (Suzan hatte ich im Blog bereits vorgestellt. Siehe: A Foodie In Berlin).

Per Definition ist Bibliotheca Culinaria ein auf Kochbücher spezialisiertes Antiquariat. Liest man zwischen den Zeilen oder gönnt sich einen Plausch mit den Betreibern Swen Kernemann-Mohr und Johannes Mohr, wird klar, dass Bibliotheca Culinaria weit mehr als das ist.

30 Jahre lang haben die beiden Rheinländer, die in ihrem früheren Leben einen florierenden Blumenhandel betrieben, in der Freizeit ihren Leidenschaften Kochen und Kochbücher sammeln gefrönt.
Die meisten zusammengetragenen Fundstücke stammen von regelmäßigen Trödelmarktbesuchen.

Ich habe über 25 Jahre lang täglich anderthalb Stunden mit dem Lesen von Kochbüchern verbracht.

(Johannes Mohr)

Swen dagegen investierte seine freie Zeit am Liebsten in die praktische Umsetzung. Er kocht sehr gern, lässt sich von Rezepturen aus der umfangreichen Sammlung inspirieren und verwöhnt schon auch mal Stammgäste (oder special guests) der Bibliotheca Culinaria mit einem Stück frisch gebackener Apfeltarte.
Hinweis an mich: Muss unbedingt noch das Rezept erfragen …

Im Laufe der Jahre wuchs sich die private Kochbuchsammlung zu einer ca. 15.000 Exemplare umfassenden Bibliothek aus. Vor ca. 10 Jahren reifte dann der Entschluss, samt Büchern nach Berlin umzusiedeln und die Sammlung in ein spezialisiertes Antiquariat umzuwandeln. Also, nicht vom Namen verwirren lassen, der eine Leih-Bibliothek vermuten läst. Alle Werke, die bei der Bibliotheca Culinaria in den Regalen stehen sind verkäuflich.

Auf Onlinehandel wird bewusst verzichtet, da es Swen und Johannes in erster Linie um den direkten Kontakt zwischen ihren Büchern und potentiellen Lesern geht. Deshalb lässt der Laden auch Unpersönliches vermissen (mal abegsehen von den weniger gemütlichen Neonleuchten im hinteren Teil).
Das große einladende antike Sofa direkt neben dem Chefsessel wird rege zum Plauschen und Fachsimpeln genutzt oder aber zur nachbarschaftlichen Beziehungspflege und zum genüsslichen Schwelgen in Kochbüchern.

Bei der Frage nach der Durchschnittsverweildauer im Laden, kam die zu erwartende Antwort unisono: "LANGE".
Wer plant, der Bibliotheca Culinaria einen Besuch abzustatten, sollte also reichlich Zeit mitnehmen.
Mehrere verwinkelte Räume sind von der Fußleiste bis zur Decke mit Büchern vollgestellt. Eine ganze Wand ist alleine für Kochbücher aus der DDR reserviert. Dort finden sich unter anderm auch die beiden Klassiker, die in meinem Kochbuchregal (und dem fast jedes DDR-Haushaltes) standen (und bei mir immer noch stehen): ‚Wir kochen gut‘ aus den 60ern und ‚Kochen‘ aus den 80ern vom Verlag für die Frau.

Johannes erklärte mir, dass es aus Ostdeutschland zwar nur eine bescheidene Menge an Kochbüchern gab (kein Wunder bei den überschaubaren Zutaten), aber dafür teilweise ganz exzellente. Er sagte, dass das Buch ‚Gaben des Meeres‘ beispielsweise deshalb stets vergriffen sei. Bemerkenswert war auch, dass der Klassiker ‚Unser Kochbuch‘, 1957 auch in Braille-Schrift verlegt wurde.

Kochbuch von 1957 in Braille-Schrift
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Im vorderen Raum, wo auch Sofa, Kaffeemaschine und die Schreibtische von Swen und Johannes stehen, befinden sich die eigentlichen Schätze der Sammlung. Hier finden sich Kochbücher und historische Schriften zum Thema Kochen und Essen, die bis in’s 18. Jahrhundert datieren.
Johannes meinte, ihn beeindruckt vor allem auch der gesellschaftliche Wandel, der sich über mehrere Auflagen des selben Buches herauslesen lässt.

Leider reichte die Zeit nicht, diese Bücher-Greise gebührend zu würdigen, aber schon die wenigen gesehenen Illustrationen daraus waren Kunstwerke und machten Appetit auf eingehenderes Blättern und Lesen.

Bibliotheca Culinaria

Der weniger betagte Rest der Kochbücher ist nach Themen sortiert, was Suche bzw. gezieltes Stöbern vereinfacht.
Entgegen der Erwartungen sind nämlich in erster Linie nicht die historischen Bücher gefragt, sondern die Kochbücher der 50er bis 70er Jahre. Gekauft wird oft aus nostalgischen Gründen, weil man das eigene im Laufe der Jahrzehnte hoffnungslos zerfledderte oder verlustig gegangene Exemplar ersetzen möchte oder aber von Mama kennt.

Die Kundschaft ist querbeet von jung bis alt in allen Gesellschaftsschichten angesiedelt. Interessanterweise mehr Männer als Frauen.
Leute aus dem Kiez, Touristen, Kochbuch-Interessierte, aber auch Köche aus ganz Berlin beehren die Bibliotheca Culinaria. Wer einmal da war kommt sowieso immer wieder. Logisch!

Auffällig ist, sagte man mir, dass junge Leute keine unbebilderten Bücher kaufen. Generation Multimedia kann halt nicht so nur mit Schrift … Ich schon, zumal die Fotos großteils gruselig waren. Aber ich bin ja auch nicht mehr jung. 😉

Ein paar von Swen und Johannes für uns heraus gepickte Fundstücke waren

  • die Bücher der wohl bekanntesten Kochbuchautorin des 19.Jh Henriette Davidis
  • das meist aufgelegte Taschenbuch ‚Was Männern schmeckt‘
  • ‚Das letzte Dinner auf der Titanic‘ – ein Buch mit Sammlerwert für Titanic-Fans
  • ein Kochkunstbuch von Salvador Dali
  • ein in Israel für Jemeniten auf englisch publiziertes Buch, in welchem ein Rezept ‚GRRD‘ (penis of ram or bull) steht
  • 2 Bücher von Sophia Loren, wovon das ältere, signierte Swens Lieblingsbuch ist
  • ‚Wir mixen‘ – ein Barbuch aus der DDR
  • ‚Kulturgeschichte des Essens und Trinkens‘, ein Klassiker, der Johannes‘ Lieblingslektüre darstellt
  • ‚Exotische Küche‘ aus dem ehemaligen Berliner Restaurant Ritz mit drakonischen Rezepten für ‚Igel in Kohl‘ oder ‚Bärentatzen‘
  • ‚Die Freud des Essens‘ von Herbert Heckmann
  • Eine komplette Serie ‚Das elektrische Kochen‘ herausgegeben von Berlins Stromversorger BEWAG
Kochbuch-Klassiker in der Bibliotheca Culinaria

Die Zeit verging schneller als im Flug. Zum Ladenschluss stand ich mit einer Fülle Eindrücke, Fotos und erhöhtem Adrenalinpegel aber leeren Händen da. Dabei wollte ich mir nach längerer Abstinenz doch so gern ein, zwei Kochbücher gönnen. Kein Problem bei solch wohlwollenden Verkäufern. Ich durfte noch gute 20 Minuten in Ruhe stöbern und wurde schnell fündig. Nehmt Euch in Acht, eines der beiden Bücher ist von einer so ziemlich Alles einkochenden Französin. Ich sage nur ‚Schwarzwurzelmarmelade‘?!

Auch heute sind Neu-Berliner Swen und Johannes regelmäßig auf Trödelmärkten oder in Antik-Geschäften unterwegs. Immer auf der Suche, nach Büchern, die in ihrer Sammlung fehlen. Trotz der unverbrauchten Sammelleidenschaft, sind sie aber schmerzbefreit, was den Weiterverkauf der Bücher angeht. Zum Glück!
Angekauft werden Bücher nur, wenn sie von vor 1945 stammen, auch Bücher aus der DDR sind gern gesehen. Komplette Kochbuch-Sammlungen sind ebenfalls von großem Interesse.
Man darf sich als potentieller Verkäufer aber keinen Illusionen über den Wert der in die Jahre gekommenen Bücher hingeben. Um wirklich wertvoll zu sein, müssten sie schon ein Jahrhundert auf dem Buckel haben und dürften auch dann keiner Massenauflage angehört haben …

Des einen Leid ist, wie so oft, des Anderen Freud. So kommen wir Kochbuch-Junkies ohne allzu große Verluste auf der Ausgabenseite (buchhalter.) an neuen, in diesem Falle alten, (Lese-)Stoff. 🙂

Bibliotheca Culinaria

Ich bin definitiv angefixt und werde die Bibliotheca Culinaria bei jeder sich bietenden Gelegenheit gern wieder frequentieren.

Sobald meine Bloggerkollegen ihre Artikel im Netz haben, gibt’s hier dann die Links für die englischsprachigen Kochbuch-Junkies. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass das Angebot an englischsprachigen Büchern zwar vergleichsweise gering ist, aber ein Besuch in der Bibliotheca Culinaria absolut empfehlenswert ist für jeden der gerne kocht. Egal woher …

Bibliotheca Culinaria

Bibliotheca Culinaria
Zehdenicker Straße 16
10119 Berlin
www.bibliotheca-culinaria.de

Öffnungszeiten:
Sonntag & Montag geschlossen
Dienstag bis Freitag 11.00 Uhr – 19.00 Uhr
Samstag 11.00 Uhr – 16.00 Uhr

Fotos (Facebook)

veröffentlicht am: 17.08.2011

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Senf dazu geben

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