Süßwasserfisch-Steckbrief #5: Karausche

Karausche
Credit: U.S. Geological Survey Department of the Interior/USGS U.S. Geological Survey
[Public domain], via Wikimedia Commons

„Jeder Monat hat seine besonderen Erzeugnisse. So auch der Mai. Er hat Maienlüfte, Maitrank, Maiblumen, Mairegen, Maikatzen, Karauschen mit Maibutter, Maifeiern und Maikäfern.“
(Der Zweckmäßige Meyer und Andere Geschichten)

Die auch als Schneiderkarpfen, Gareisel oder Moorkarpfen betitulierte Karausche, ein naher Verwandter des Goldfisches, ist ein anspruchsloser und anpassungsfähiger Süßwasserfisch mit unglaublichen Stoffwechsel-Tricks und durchaus auch kulinarischen Qualitäten.

In China wird die Karausche seit über 2000 Jahren kultiviert, allerdings ohne größere Bedeutung, denn sie war auch ein häufig in natürlichen Gewässern anzutreffender Fisch.
Genauso häufig kam die Karausche auch in unseren Gefilden vor. In nahezu jedem kleinen Dorfteich oder Tümpel war sie zu finden. Karauschen lieben stille, flache, stark bewachsene Seen, Weiher und Teiche und können sogar in vollständig zugefrorenen Gewässern überleben.

Das Deutsche Sprichwörter-Lexikon sagt in Bezug auf Karauschen (Kruschen):
„…. Karausche (Cyprinus carossias L.) ist einer der zartesten und beliebtesten, daher auch theuersten Flussfische, und mit Austern oder Kapernsauce eine Lieblingsschüssel auf den Tafeln der Reichen. “

Die Karausche wurde 2010 vom Verband Deutscher Sportfischer zum Fisch des Jahres gekürt, da die ausgefeiltesten Überlebenskünste nix nutzen, wenn der Lebensraum schwindet. Die Population der Karausche hat in Deutschland nämlich dermaßen stark abgenommen, dass sie inzwischen als gefährdete Art gilt und in einigen Regionen nicht mehr befischt bzw. geangelt werden darf.

Nun mag man sich fragen, warum ich in meinem kulinarischen Blog überhaupt einen Süßwasserfisch vorstelle, der mehr oder weniger unter Naturschutz steht und demzufolge nicht dazu angetan ist, unsere Diät zu bereichern. Ganz einfach:
Der Süßwasserfisch-Event hat natürlich das Ziel, den Süßwasserfisch wieder mehr in den kulinarischen Fokus zu rücken, was den überfischten Meeren zugute kommt. Andererseits dient er aber auch dem Zweck, die hiesigen Süßwasserfische samt deren Habitate kennen zu lernen und durch bewussten Einkauf und Nachfrage – wenn möglich – zu deren Arterhalt beizutragen.

Karausche

Namen:

latein: Carassius carassius
deutsch: Karausche, Bauernkarpfen, Breitling, Burretschel, Gareisel, Kotbuckel, Moorkarpfen, Schneiderkarpfen, Steinkarpfen
englisch: Crucian carp, Golden carp

Stammbaum:

Gruppe: Knochenfisch (Osteichthyes)
Klasse: Strahlenflosser (Actinopterygii)
Ordnung: Karpfenartige (Cypriniformes)
Familie: Karpfenfische (Cyprinidae)
Gattung: Carassius
Art: Karausche (Carassius carassius)

Aussehen:

  • dem Karpfen und dem Giebel ähnlich
  • schlanker und hochrückiger als der Karpfen
  • keine Barteln
  • große Schuppen; vollständig beschuppt
  • lange, nach außen gewölbte Rückenflosse
  • bräunliche Oberseite mit grünlichem Glanz
  • Unterseite hell gelblich bis schmutzigweiß
  • wenig eingekerbte Schwanzflosse
  • endständiges Maul
  • Länge bis 40 cm (durchschnittlich 20-25 cm)
  • Gewicht bis zu > 1kg
Karausche
Karausche
Foto: Biopix.dk

Gefährdung:

Die Karausche wird in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN zwar als nicht gefährdet (Least Concern) eingestuft, aber wegen des beobachteten stetigen Rückgangs des Karauschen-Bestands in Zentral-Europa, stuft die Rote Liste Deutschlands die Karausche als stark gefährdet ein. (Anm. Fehler korrigiert am 09.01.14)

In Berlin ist die Karausche wegen des drastischen Rückgangs aktuell sogar als stark gefährdete Fischart in die Rote Liste der Rundmäuler und Fische Berlins eingruppiert. Fangverbote gibt es zudem in Hessen und in Rheinland-Pfalz.

Die Dezimierung des Karauschenbestandes beruht auf dem Verlust von als Karauschenhabitat geeigneten Klein- und Kleinstgewässern durch Baulandgewinnung, Absenkung des Grundwasserspiegels und ‚Uferbereinigung‘. Einen weiteren Grund stellt womöglich der Konkurrenzdruck durch den eingeführten Giebel (Carassius gibelio) dar.

Die rote Liste vom Bundesamt für Naturschutz (Stand: 2009) beschreibt die Situation wie folgt:
„Experten befürchten, dass eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft (u. a. für Energiepflanzen) kleine Feldgewässer, die ohnehin nur Ersatzlebensräume darstellen, stark beeinträchtigen wird. Weitere Probleme entstehen durch den Verlust von Auengewässern infolge von Hochwasserschutzmaßnahmen, ausbaubedingten Gewässerbetteintiefungen sowie durch Verlandung von Kleingewässern aus der Teichwirtschaft, verursacht durch Naturschutzfolgenutzungen.“

Und die Berliner Rote Liste (Stand: 2003) konstatiert:
„Am dramatischsten veränderte sich die Bestandssituation für die Karausche. Diese 1994 als nicht gefährdet eingeschätzte Fischart musste aktuell nach „stark gefährdet“ hochgestuft werden.“

Schonzeiten:

ganzjährig in Hessen, Rheinland-Pfalz und Berlin

Vorkommen:

Die Karausche ist im gesamten Mittel- und Osteuropa, sowie in Klein-Asien verbreitet. Der rumänische Ichthyologe Petre Mihai Bănărescu vertrat die Ansicht, dass Karauschen in Mittel- und Osteuropa heimisch sind, während andere Fischereibiologen die Ansicht vertreten, dass sie aus dem chinesischen Raum eingeführt wurden.
Karauschen beanspruchen Stillgewässer oder langsam fließende Fließgewässer. Dabei zeigen sie eine Vorliebe für verkrautete Ufer und schlammigen Grund.

Nahrung:

Karauschen ernähren sich von Kleintieren, wie den Larven der Zuckmücken und Eintagsfliegen, und Pflanzen. Um Perioden ohne Zugang zu Nahrung zu überleben, legen Karauschen einen Zuckervorrat in Form von Glykogen im Leber- und Muskelgewebe an. Große Karauschen sind oft nachtaktiv.

Besonderheit:

Karauschen kommen bis zu 6 Wochen ohne Sauerstof aus, da sie in Sauerstoffmangelsituationen ihren Stoffwechsel langsam auf Gärungsprozesse umstellen können. Diese Fähigkeit ermöglicht es ihnen, selbst in komplett zugefrorenen oder temporär trocken fallenden Gewässern zu überleben.

Nutzung:

Die große Widerstandsfähigkeit der Karausche hat dazu geführt, dass sie eine gewisse Bedeutung als Versuchsfisch erlangt hat. Niedrige Kümmerformen können sich bei Verbesserung der Lebensbedingungen zu normalen hochrückigen Formen entwickeln. In Osteuropa haben sie lokal eine größere Bedeutung, vor allem in Gewässern, wo sie nur eine von wenigen existierenden Arten bilden.

Die weltweite Zucht von Karauschen in Aquakultur hat sich von 2977 im Jahr 1950 auf 1.702.778 Tonnen im Jahr 2002 erhöht und damit mehr als verfünfhundertfacht. Karauschen rangieren (Stand: 2002) auf Rang 6 der weltweiten Zucht von Süßwasserfischen. Dieser Zuwachs entfiel zum Großteil auf China, da in anderen Ländern die Akzeptanz der Karausche als Speisefisch wegen der vielen Gräten geringer ist. Japan, welches eine lange Tradition der Karauschenzucht hat, produziert weniger als noch in den 60er Jahren.

Kulinarisch:

Karauschen haben weiches, schmackhaftes Fleisch, aber auch allerhand Gräten. In schlammigen Gewässern kann der Geschmack modrig sein, weshalb Karauschen i.d.R. mehrere Tage in klarem Wasser gehältert werden.

Die sprichwörtliche Karausche mit Maibutter* dürfte tatsächlich ein traditionelles Festmahl gewesen sein.
Das Gastronomische Lexikon der Fische, Krebse und Muscheln empfielt
– Karausche mit Dillsauce
– Karausche mit Haushofmeistersauce und
– Karausche mit Kümmelsauce,
während das Neue Kochbuch für bürgerliche Haushaltungen zur
– Karausche mit saurer Brühe rät.

Vermutlich gibt es aus dem osteuropäischen und asiatischem Raum viele traditionelle Zubereitungsvarianten, die mir allerdings weitestgehend verborgen geblieben sind.

Rezeptvorschläge:

gedämpfte Karausche (chinesisches Rezept)

Quellen und weiterführende Links:

Karausche auf Wikipedia
Namen der Karausche im catalogue of life
nationale Rote Liste der Süßwasserfische und -Neunaugen (Stand 2009; PDF)
Rote Liste und Gesamtartenliste der Fische und Neunaugen von Berlin (Stand: 2003; PDF)
Karauschen in Aquakultur weltweit (engl.)
Karausche im Fischlexikon.eu
Fischbestände in Deutschland (interaktive Karte)
Schonzeiten Deutschland

Literatur:

Zeitschrift für Fischkunde – Fische und Fischerei in Berlin (Supplementband 2; 2003) vom VNW Verlag Natur & Wissenschaft
Gastronomisches Lexikon der Fische, Krebse und Muscheln
Neues Kochbuch für bürgerliche Haushaltungen
Deutsches Sprichwörter-Lexikon: Kruschen mit frische Maibotter
Meyers Konversationslexikon

*) Die Maibutter heißt Maibutter , da das im Frühjahr an die Kühe verfütterte frische Grün eine deutlich gelbere Butter als die Winterbutter bescherte.

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veröffentlicht am: 10.05.2013

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