Ich liebe die Zeit des Jahres, wenn die Johannisbeerbüsche unter ihrer bunten Last ächzen. Leider kann ich dieses Schauspiel nur in fremden Gärten bewundern. Wild soll die Rote Johannisbeere, wenn auch selten, sogar ebenfalls in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien und Polen vorkommen. Sie ist sehr selten in Auwäldern, Schluchten, Gebüschen und an Bachläufen zu finden. Ist mir noch nie gelungen. Also musste ich für die rote Beere den Weg zum Supermarkt einschlagen. Der anvisierten Johannisbeer-Tarte war es eh wurscht, woher die dekorativen und spritzig sauren Früchtchen stammten, die sie zierten. Mir ist bei Roten Johannisbeeren auch noch nie ein geschmacklicher Unterschied zwischen selbst-gepflückter und gekaufter Ware aufgefallen, was man bei Blaubeeren und Brombeeren so nicht behaupten kann.

Ich hatte vor, einen klassischen Träubleskuchen zu backen, wie der Schwabe sagt. Das Rezept, das ich letztes Jahr schon mal gebacken hatte, aber in der falschen Form, sodass mir die Teigkante weggeklappt ist wie ein Sonnenschirm beim Windstoß, fand sich nicht mehr bei den gespeicherten Lesezeichen. Daraufhin durchsuchte ich meine stetig wachsende Rezeptsammlung bei Pinterest und Lieblingsblogs in immer weiteren Kreisen ab. Letztendlich stieß ich auf einen anderen (be)merkenswerten Kuchen mit Roten Johannisbeeren. Genau genommen ist es eine Tarte. Der Clou ist, dass der Teigboden, der übrigens nicht vorgebacken wird, statt einer Prise Salz eine Hand voll gesalzener zermahlener Pistazien enthält. Genial! Der Guss wird im Original, was ich beim Blog Salzkorn entlehnt habe, mit Creme Frâiche angerührt und mit Cassis und Limettenabrieb gewürzt. Ich habe mich für Schand entschieden. Zudem hatte ich einen gewissen Zitronenverbene-Überhang auf Balkonien und so eine Ahnung, dass die sich gut mit Johannisbeere vertragen müsste. Tut sie auch. Ich habs für euch getestet. Rote Johannisbeere ist sehr umgänglich und versteht sich mit vielen Kräutern. So zum Beispiel beim Buttermilchgelee mit Roten Johannisbeeren und Steinklee und beim Curd mit Roter Johannisbeere und Minze. Die feingehackte Verbene durfte eine Weile in der Sahne ziehen und wurde dann unter den Guss gerührt.

Das Ergebnis gefiel uns optisch und geschmacklich super, nur die Backzeiten waren ein Eiertanz. Im Rezept waren die Backtemperaturen für Umluft angegeben (190° C und 180° C), aber ich backe meist mit Ober- und Unterhitze. Also habe ich die üblichen 20 °C abgezogen – was falsch war, ich hätte ADDIEREN müssen – sodass die Butter im Boden blieb und der Kuchen zu weich. Deshalb habe ich dann nochmal 10 Minuten mehr Power dran gehangen und ein Tropfblech für entweichende Butter darunter geschoben. Letztendlich gefiel uns die vornehme Blässe der Tarte aber sehr, da sie wunderbar sommersprossig mit den knallig roten Johannisbeeren kontrastiert. Zum Testen, ob der Guss noch halb-flüssig ist, eine dünne Stricknadel oder Grillspieß hineinstechen und schauen, ob beim Herausziehen Mini-Klümpchen dran hängen bleiben. Ist dem so, braucht die Tarte noch ein wenig. Schnittfest wird sie erst nach dem vollständigen auskühlen. Auch getestet…

Ein Viertel der Tarte mit Roten Johannisbeeren und Zitronenverbene ging als schon zum Brauch gewordene #kulinarischeVölkerverständigung treppab an unsere syrische Nachbarsfamilie und ein weiteres Stück an die alte Frau nebenan. Den Rest haben wir in kürzester Zeit mit maximalem Genuss selbst verputzt.

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